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VON NATUR UND UMWELT BEGÜNSTIGT
ali als Kultur- und Lebensraum nimmt in mancher Hinsicht eine Sonderstellung ein.
Umgeben von einem Meer des Islam im indonesischen Staatsgebiet hat sich die kleine, von einer speziellen Form des Hinduismus geprägte Insel bis heute ihre kulturelle Identität in einem
solchen Reichtum und einer derartigen Vielfalt bewahrt, die in Südostasien, ja weltweit ihresgleichen sucht. Bewegt man sich als Reisender über die Insel, so begegnet man ständig
Prozessionen von festlich gekleideten Gläubigen mit kunstvollen Opfergaben. Man könnte meinen, das ganze Leben der Balinesen ist ein einziges Fest. Und so falsch ist dieser Eindruck
tatsächlich auch nicht, wenn man einmal einen Blick auf den balinesischen Kalender wirft, denn dieser ist eigentlich ein einziger Festkalender. Dies kommt natürlich nicht von ungefähr.
ierzu hat zum einen die Gunst der umgebenden Natur auf Bali einen nicht unwesentlichen
Beitrag geleistet. Der fruchtbare Vulkanboden, vom Monsunregen ausgiebig bewässert, ermöglicht mehrere Reisernten im Jahr und sichert so eine ausreichende Nahrungsgrundlage für die Bevölkerung. Gleichwohl ist das fruchtbare Land auf Bali nicht einfach von der Natur
dargeboten, sondern durchaus das Ergebnis eines ständigen, seit Jahrhunderten andauernden mühevollen Arbeitsprozesses. Die kunstvoll angelegten Reisterrassen empfangen in den zunächst
engen und sich dann weitenden Tälern das von den Vulkanbergen kommende, raffiniert abgeleitete und sorgsam zugeteilte Wasser. Hier bietet sich den Balinesen zwischen machtvollen göttlichen Vulkanen
und dem unheimlichen, von bösen Geistern bewohnten Meer der bevorzugte Lebensraum dar, den sie sich als Heimstatt erworben haben.
n einem dicht besiedelten Gebiet von Reisbauerndörfern, vor allem an den Südflanken des
Berglandes lebt auf ca. einem Fünftel der Inselfläche vier Fünftel der Bevölkerung unter auch heute noch mehr oder weniger „paradiesischen“ Bedingungen, d.h. ohne den in anderen
Weltregionen und auch in vielen Gebieten Südostasiens typischen täglichen Kampf um Nahrung und ums Überleben. Dies verschaffte den Bewohnern von Bali wichtige Freiräume, die die
Tatkraft und Energie der Bevölkerung stärker auf geistig-immaterielle Güter und künstlerische Ambitionen und Talente ausrichtete. Zweifellos haben sie dadurch zu jener kulturellen
Befruchtung beigetragen, die heute so am Bali-Hinduismus fasziniert.
KULTURELLER REICHTUM DES BALI - HINDUISMUS
ang ist die Liste der Künste und Fertigkeiten, in denen die Balinesen es auf diese Weise zu wahrer Meisterschaft gebracht haben. Allen voran Tanz und Malerei, aber auch Holzschnitzerei,
Bildhauerei oder Maskenbildnerei, die in Formenreichtum, Ausdruckskraft und künstlerischer Reife ihresgleichen suchen. Dabei sind all diese künstlerischen Ambitionen und Talente kein reiner
Selbstzweck. Vielmehr schöpfen sie ihre Kraft und Impulse aus der Glaubenswelt und Lebensphilosophie der Menschen von Bali und haben in aller Regel einen spirituellen
Hintergrund. Bei weitem unerreicht, um ein anderes Beispiel zu nennen, ist auch die Fertigkeit und Kreativität der Balinesen in der Herstellung von rituellen Opfergaben und
Tempelschmuck. Was zu den vielen großen Festterminen von den Dorfgemeinschaften hierzu in tagelanger, teils wochenlanger
Arbeit an aufwendigen Kunstwerken, etwa Großreliefs aus farbigem Klebereis, angefertigt wird, erscheint geradezu unglaublich und zeugt von einer für westliche Touristen kaum mehr
vorstellbaren religiösen Identifikation und Hingabe.
s ist jene besondere Form des Bali-Hinduismus, des sog. „Agama-Hinduismus“ mit seinen großartigen kultischen Ausdrucksformen und seinem kulturellen
Reichtum, mit einem beispiellosen Kanon von Festen, religiösen Riten und Künsten, farbenfroher Lebensfreude und tief verwurzelter Gläubigkeit, der uns Bali als eine so
einzigartige und exotische Insel erscheinen lässt. Im Bali-Hinduismus spiegelt sich aber auch das Erbe uralter Überlieferungen animistischer Traditionen, des
überkommenen Volksglaubens an die überall von Geistern und Dämonen bewohnte, beseelte und beherrschte Natur. Hinduistische Hochreligion und
Naturglaube sind dabei eine innige Verbindung eingegangen, die sich auch bei anderen alten Religionen bzw. Kulturräumen, wie etwa im Lamaismus des Himalaja, findet.
ieser Bali-Hinduismus ist zugleich auch das Ergebnis einer dramatischen
religionsgeschichtlichen Entwicklung. Unter dem Ansturm des immer weiter vordringenden Islam im 15. und 16. Jahrhundert wurde das vormals mächtige hinduistische Königreich Madjapahit
von Java mehr und mehr verdrängt und es kam zu einem gewaltigen Exodus praktisch der gesamten kulturellen Eliten des früheren großen Hindu-Reiches nach Bali. Dort richteten sie sich
zur Fortsetzung und Verteidigung ihrer kunsthaften Lebensart ein, wobei die uralte religiöse Bewegung des Hinduismus eine sehr spezielle Ausprägung erfuhr.
iele balinesische Riten und Gebräuche sind in der indischen Heimat des Hinduismus so nicht
anzutreffen, z. B. die farbenprächtigen und aufwendigen Verbrennungszeremonien oder die überall anzutreffenden prunkvollen Prozessionen. Hierfür gibt es ein sehr schönes und zudem
treffendes Bild: Vergleicht man den Hinduismus mit einem uralten Baum, so ist die Bali-Kultur als ein weit herausragender Zweig anzusehen, ein isoliert, aber üppig entwickelter Ausleger mit
besonders bunten Blüten, die sonst nicht an diesem Baum zu finden sind. Die spezielle Ausprägung des Bali-Hinduismus zeigt sich nicht zuletzt in den vielschichtigen Verhaltensmustern
und Lebensregeln mit teilweise komplizierten und aufwendigen Ritualen und Opferzeremonien. Diese begleiten schon den normalen Alltag der Balinesen allenthalben, um so mehr bilden sie einen
prachtvollen Rahmen bei den großen Festen. Vor allem sind es die vielen Tempelfeste der dörflichen Gemeinschaften, die den Besucher mit ihrer
Farbenfreude und zeremoniellen Prachtentfaltung unentrinnbar in ihren Bann ziehen.
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BALI – JEDER TAG EIN FEST
ie Tempelfeste werden im Rhythmus des balinesischen Ritualjahres von 210 Tagen
gefeiert. Er basiert auf dem altjavanischen Uku- oder Wuku-Jahr, das als Grundeinteilung aus 30 Wochen mit je sieben Tagen besteht, woraus sich der Festkalender mit 210 Tagen ergibt.
Im Verlauf diese Ritualjahres hat jeder Tempel seinen feststehenden „Geburtstag“, der als „Odalan“ mit einem Tempelgründungsfest feierlich begangen wird. Bezogen auf den
international geltenden gregorianischen Kalender tauchen also viele dieser Tempelfeste und auch einige andere Feiertage zweimal im Jahr auf.
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